Das 1/5 des 21. Jahrhunderts ist zu Ende, die letzten 4/5 haben begonnen. Wir fragen uns: Wurde damit auch das Zeitalter der Polarisierungen eingeläutet?

Die Krisen überschlagen sich. In einer unbekannten, existenziellen Dringlichkeit wird unser (Nicht-)Handeln eingefordert. Manches sollten wir ganz anders machen und anderes einfach aufhören zu tun. Nur: (Nicht-)Handeln wohin, wofür, für was und wen, und vor allem wie? Eine tiefe Verunsicherung greift Platz. Das Einlassen auf und Tolerieren von ambivalenten Zwischenräumen fällt zunehmend schwer. Unter dem ständigen Krisen- und Zeitdruck entsteht das Verlangen nach Eindeutigkeit, Geradlinigkeit, Beherrschbarkeit, ja nach Erlösung von all diesen Unsicherheiten – sie mögen aufhören! Und so kommt es, dass immer mehr Menschen in starren, tauben Standpunkten verharren und andere Standpunkte im Dienste der Eindeutigkeit von sich wegdrücken. Nur leider fallen diese unverrückbaren Standpunkte sehr schnell ins Extreme, da die umgreifende kulturelle, politische, ökonomische und vor allem die ökologische Welt ebenfalls dabei ist in für uns unbekannte Extreme zu fallen. Ein Nährboden für enorme, teils miteinander verwobene Polarisierungspotenziale entsteht:In einer unbekannten, existenziellen Dringlichkeit prasseln Fragen auf uns ein – mit immensem Polarisierungspotenzial: 

…zwischen in der Regel älteren, männlichen und weißen EntscheidungsBEfugten, alleine an der Spitze der Hierarchie, teils mit Angst vor Veränderung, vor Verlust von Bedeutung und Privilegien, festhaltend am Status quo UND oftmals jüngeren, weiblichen und/oder nicht-weißen EntscheidungsUNbefugten, teils (ohn-)mächtig suchend nach Gestaltungsspielräumen und Veränderung für ihre und unsere gemeinsame Zukunft. 

…zwischen der kollabierenden Ökosphäre und dem Bedarf eines grundlegenden Kulturwandels UND uns, die sich immer wieder im Verharren wiederfinden oder auf technisch-ökonomische Zahlendetails versteifen. 

…zwischen unterschiedlichen Wahrheiten in den digitalen Welten. 

…zwischen demokratischen, progressiven UND autokratischen, rückwärtsgewandten Kräften. 

…zwischen den Bedürfnissen und Eigenlogiken von mir als Individuum, von uns als Gemeinschaften und von der Gesellschaft als Ganzes.

…zwischen den lebensbejahenden Erwartungen an unser Handeln UND den strukturellen Grenzen unseres Handelns.

…zwischen dem, wie wir eigentlich gerne sein wollen und dem, wie wir tatsächlich sind und handeln.

Wie sehr viele Menschen treiben auch uns bei iniciato solche Polarisierungspotentiale sehr stark um. Aber sind sie wirklich nur Grund zur Sorge? Das kommt drauf an! Denn sofern es gelingt, entgegen einseitig spaltenden Kräften, eine lebendige Grundlage des Vertrauens, des Bezogen-Seins, des Anerkennens grundsätzlicher Ängste und Bedürfnisse aufzubauen, zu kultivieren und zu schützen, dann können diese Polarisierungspotentiale aus unserer Sicht sogar eine große Chance sein. Sie erzeugen die notwendige Spannung für wirkliche und notwendige Veränderungen – gerade jetzt, wo sich viele kleine und große „Gelegenheitsfenster“ in unserer krisengeschüttelten Gesellschaft auftun.

Offen ist nur: Lassen wir diese Polarisierungspotenziale weiterhin im brodelnden gesellschaftlichen Untergrund und warten darauf bis sie destruktiv explodieren? Oder sind wir mutig, nutzen unsere Freiheiten, stärken unser Miteinander und gehen sie gemeinsam proaktiv an? 

Um zu versuchen hier einen kleinen Betrag zu leisten, haben wir in iniciato ein praxisnahes, moderiertes Dialog-Format entwickelt, das auf unterschiedlichste Kontexte und Bedürfnisse hin angepasst werden kann. Es besteht aus einer Mischung aus Impuls, Kleingruppen- und Einzelarbeit sowie spielerischen Elementen. Inspiriert von Ansätzen, wie Resonanz (H. Rosa) oder Theorie U (O. Scharmer) sowie unserer eigenen langjährigen Erfahrung in der Beratungs- und Transformationspraxis, dient es dazu geschützte Räume zu schaffen, in denen brodelnde Polarisierungspotenziale im öffnenden, perspektivwechselnden und wertschätzenden Miteinander angegangen werden können. 

Ob dies gelingt, wissen wir nicht. Auch wir sehen die vielen destruktiv wirkenden strukturellen Sachzwänge, Interessens- und Emotionslagen, die dem immer wieder diametral entgegenlaufen. Zudem trägt ein solches gemeinsames Miteinander für einen guten Umgang mit Polarisierungsdynamiken auch eine gewisse Unverfügbarkeit in sich.

Wir können es einfach nicht planen, herstellen, verfügbar machen. Was wir aber können, ist zu versuchen, Bedingungen zu schaffen unter denen ein solches Miteinander wahrscheinlicher wird. Genau das ist unser Anliegen mit unserem Dialog-Format. Wir freuen uns auf viele Mitstreiter und Mitstreiter:innen, die uns auf unseren Wegen des Proaktiv-Gestalten-Wollens von Polarisierungen begleiten wollen.

Wir freuen uns auf Dich!