„Your body is your brain“, formuliert Amanda Blake pointiert: Die aktuelle Forschung in Neurobiologie, Psychologie, Soziologie und Philosophie legt nahe, dass wir mit dem ganzen Körper denken, nicht nur mit dem Gehirn.

Dass unsere Denkmuster geprägt sind durch unsere körperlichen Bewegungsmuster und wie wir uns in Bewegung selbst erfahren und unsere Umwelt spüren. Wie wir mit dem ganzen Körper in Resonanz zu den Dingen gehen, nicht nur bei „körperlicher“ Arbeit, sondern zum Beispiel auch bei kognitiv anspruchsvoller Büroarbeit. Dies zu erkunden und zu verstehen eröffnet uns eine neue Perspektive auf altbekannte Herausforderungen: emotionalen oder zeitlichen Stress am Arbeitsplatz, Schwierigkeiten uns abzugrenzen oder Dinge an uns heranzulassen, Auseinandersetzungen zielführend zu gestalten und vieles mehr. Durch diese neuen Perspektiven können wir Stück für Stück zu mehr von dem finden, was es für uns als Einzelne und als Gesellschaft braucht  – Kraft und Klarheit, Ruhe und Leichtigkeit, Freiheit und Sicherheit.

„Ich möchte immer wieder betonen, dass es sich für mich nicht um eine utopische, weltflüchtige Ruhe und ‚Harmonie‘ oder um ein Rezept zum besseren Ertragen der Weltmisere handelt, sondern dass diese Ruhe und Stille reagierbereiter, tatbereiter, erfolgreicher, vor allem wacher für ein Reagieren auf Zusammenhänge und überhaupt die Erkennung von Zusammenhängen macht. „

Elsa Gindler, Pionierin somatischer Körperarbeit 1931

Worum geht es

Diese Laborreihe „Kopfarbeit als Körperpraxis“ lädt ein sich neu zu spüren und das eigene Arbeiten buchstäblich in Bewegung zu bringen: Wie kann Arbeit noch aussehen, wenn ich tatsächlich meinen ganzen Körper einbeziehe – nicht nur den kleinen Teil des Gehirns, der für abstraktes Denken zuständig ist? Und wie verändert das mein Denken: mein Erkennen und Bewerten von Zusammenhängen und Handlungsmöglichkeiten? Was passiert, wenn mein Körper eine Rolle bekommt, ich ihn neu erfahre – nicht nur in Form rückenschonender Sitzhaltungen und Yogakurs am Abend, sondern ganzheitlich im Arbeitsalltag? Wie beziehe ich mich dann auf meine Arbeit, meine Kolleg*innen, mein Büro? Und wie könnte ich mich noch beziehen? 

Ich biete an, diese Fragen in mehreren halbtägigen Workshops gemeinsam zu erforschen. Dabei leite ich konkrete Körperübungen drinnen und draußen an, eröffne eine Spielwiese sich selbst zu spüren einfach mit dem, was sich zeigen möchte. Wir erkunden uns im Verhältnis zu Boden und Raum, Schwerkraft und Leichtigkeit, innen und außen. Wir probieren verschiedene Gestimmtheiten aus und wie wir uns damit fühlen. Wir schauen, was wir davon in den eigenen Arbeitsalltag mitnehmen können und wollen.

Was, wann, wo

Die Workshops finden einmal im Monat von 9 bis 12 Uhr in der Somatischen Akademie Berlin, Paul-Lincke-Ufer 30, 10999 Berlin statt und können auch einzeln besucht werden:

Termin I:

31.5.2024

Gefühlskompetent denken und handeln

Emotionen und Gefühle motivieren unser Verhalten und unsere Entscheidungen – sie stehen nicht im Gegensatz zu rationalen Überlegungen, sondern sind unabdingbar Teil jedes kognitiven Prozesses, wie neurobiologische Forschung zeigt. Wir werden vertraut damit Emotionen bzw. Gefühle in uns differenziert wahrzunehmen und zu erkennen, wie sie unser Handeln prägen. Das macht uns freier zu entscheiden, wie wir fühlen, denken und agieren wollen.

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Termin II:

05.7.2024

Politische Auseinander-setzungen mit dem Körper führen

Politische Auseinandersetzungen – von öffentlichkeitswirksamen Kampagnen bis zu Verhandlungen hinter verschlossenen Türen – brauchen Verkörperung. Auch wenn es scheinbar nur um sachliche Argumente und motivierende Emotionen geht, sind in Auseinandersetzungen Facetten unserer Selbst entscheidend, die wir buchstäblich in unserem ganzen Körper zum Ausdruck bringen: Wie stabil stehen wir in unserer Mitte, wie reagiert unser Körper unter Druck, wie wohl fühlen wir uns damit zu kämpfen, Autorität auszuüben, Platz einzunehmen oder zu machen, und wie drücken wir das jeweils körperlich aus? Hier geht es darum eine Ebene tiefer zu spüren, was jeder Taktik und Strategie zu Grunde liegt: Wie sind wir körperlich anwesend in politischen Auseinandersetzungen und wie dient uns das?

! Sommerpause !

Nach der Sommerpause geht es dann weiter mit drei Workshops rund um Arbeitsstress, Abgrenzung und Selbstbestimmung:

Termin III:

13.9.2024

Zu Aufgaben Ja, Nein oder Vielleicht sagen

Arbeit ist für viele geprägt von endlosen To-Do-Listen und zu viel, was getan werden müsste. Mit gutem Gefühl Ja oder Nein zu sagen wird zu einer essenziellen Fähigkeit, die Körperwissen braucht: Wie fühlt es sich an, wenn mein ganzer Körper zu etwas Ja sagt – und wie, wenn er eigentlich nicht zustimmen möchte? Wann fühle ich mich frei Nein zu etwas zu sagen, oder Vielleicht? Und wie ist es, klar und entschieden zu sein – egal, ob für oder gegen etwas?

Termin IV:

11.10.2024

Abgrenzung und Kontakt steuern

Vielen ist es wichtig, dass ihre Arbeit sie berührt, tatsächlich etwas mit ihnen macht. Und manchmal wird es zu viel. Wir nehmen etwas ungewollt mit „nach Hause“ oder es geht uns zu sehr „unter die Haut“. Diese Haut erkunden wir deshalb buchstäblich mit den Methoden der Erfahrbaren Anatomie: Die Haut ist konstitutiv für unser Selbst, sie ist Ort der Abgrenzung und der Kontaktaufnahme, verbunden mit unserem Nervensystem, der Entstehung unseres Selbstgefühls, wo wir anfangen und wo wir aufhören, wo wir berührbar sind, uns von der Welt anrühren lassen, und wo nicht. Wenn wir dem nachspüren, welche Möglichkeiten eröffnen sich uns Abgrenzung und Kontakt bewusst zu steuern?

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Termin V:

08.11.2024

Arbeit nervensystemgerecht planen

Viele Menschen identifizieren eine hohe Arbeitsdichte und enge Taktung als unnachhaltig stressig – und planen doch immer wieder so ihre Arbeitsprozesse. Um dem tiefer auf den Grund zu gehen, erspüren wir das Nervensystem von seiner Entstehung her: Wann und wie sinke ich tief in mich ein, wann und wie erkunde ich das Außen? Welche Arbeitsrhythmen legt das nahe? Wie würde ich von hier aus meine Arbeit planen?

Was es von dir braucht

Ich bringe meine Leidenschaft ein, meine Neugier, meine Spürfähigkeit – und all mein somatisches Wissen, das ich bisher erworben habe. Und dich lade ich ein, ebenso deine Neugier und deinen Forschergeist mitzubringen. Deine Offenheit, dass alles ganz anders sein könnte, deine Bereitschaft, etwas auszuprobieren ohne schon vorher zu wissen, wohin genau es führt. Die Sehnsucht und die Erlaubnis, dass Dinge sich verändern dürfen.

Das braucht Zeit: die volle Aufmerksamkeit im Workshop (3 Stunden) und Zeit nachzuspüren auf dem Weg zum und im Büro (30-60 Minuten). Daneben ist ein kurzes Feedback nach 1-2 Wochen wichtig um zu sehen, ob und wie es weiterwirkt.

Solltest du bestimmte Bedingungen brauchen um teilnehmen zu können, zum Beispiel bezüglich körperlichen Bewegungseinschränkungen o.ä., kontaktiere mich bitte vorab. Der Ort ist nicht barrierearm, aber wenn ich es vorher weiß, kann ich ggf. etwas möglich machen.

Da diese Workshops Pilotcharakter haben, biete ich sie zunächst für 30-50 Euro an, je nach deinen eigenen finanziellen Möglichkeiten.

Wegen begrenzter Plätze bitte ich vorab um Anmeldung unter barbara@iniciato.de.

Körperarbeit kann sehr intensiv sein: Sie kann starke Emotionen hervorrufen, manchmal auch im Körper gespeicherte Trauma anrühren. Das macht Körperarbeit zu so einem kraftvollen Ansatz für Veränderung. Gleichzeitig sind Workshopformate wie diese nicht geeignet für Themen, die therapeutische Begleitung brauchen. Bitte schau im Vorhinein und während des Workshops: Was möchtest du mitmachen und wann pausieren? Was braucht es von mir und von der Gruppe?

Dreierlei ist wichtig: Selbstkenntnis und Eigenverantwortung, mich als traumasensible Leiterin und ein achtsames und streng vertrauliches Miteinander in der Gruppe.

Barbara

„Eine andere Welt ist nicht nur möglich, sie ist am Entstehen; an stillen Tagen kann ich sie atmen hören.“

Arundhati Roy, Indische Schriftstellerin

Mein Hintergrund

Mich hat schon immer die Frage nach (Hinter)-gründen umgetrieben, simpel gesagt: Warum sind Dinge wie sie sind? Und daraus abgeleitet: Warum wirtschaften wir Menschen so, wie wir wirtschaften, warum arbeiten wir so, wie wir arbeiten? Und wenn uns das ökologisch und sozial nicht dient – wovon ich überzeugt bin – wie könnte es anders aussehen und was braucht es dafür? 20 Jahre lang habe ich Antworten im Studium und der zivilgesellschaftlichen und parlamentarischen Arbeit gesucht, gefunden und weitergegeben, d.h. ich habe Internationale Beziehungen mit Schwerpunkt auf Internationaler Politischer Ökonomie (BA, MSc) studiert und zu Finanzmarktregulierung promoviert (PhD) und ich habe als politische Referentin parlamentarische Arbeit sowie politische Kampagnen verschiedener Nichtregierungsorganisationen wissenschaftlich begleitet – im Kern also politische Arbeit als Kopfarbeit.

Und nun haben mich persönliche Umbrüche und die tiefe Sehnsucht „dahinter“, tiefer zu schauen, zur Körperarbeit geführt. Wenn Denkerinnen wie Heike Pourian im Rückgriff auf Arundhati Roy schreiben, wir können die neue Welt nicht erdenken, wir müssen sie erspüren – was heißt das dann für politische Arbeit? Wie kann sie noch gehen, wenn sich reine Kopfarbeit als unzureichend, ja eigentlich als illusorisch, erweist? Um diesen Weg weiterzugehen, habe ich verschiedene Aus- und Fortbildungen somatischer Körperarbeit begonnen, unter anderem stehe ich kurz vor dem Abschluss zur Somatischen Bewegungspädagogin in Body-Mind-Centering am Moveus-Institut sowie Environmental Somatics bei Katja Münker, Somatische Akademie Berlin. Durch Trainings auf der Basis von Traumatherapieansätzen (Somatic Experiencing, NARM, die Traumarbeit von Staci Haines) habe ich eine gute Grundlage, traumainformiert und -sensibel zu arbeiten.

Für die konkrete Arbeit ist es mir wichtig einen Raum für andere zu schaffen, der von Sicherheit, Genuss, Authentizität und Neugierde geprägt ist. Dafür bringe ich mein somatisches pädagogisches Wissen und meine ganze bisherige Arbeitserfahrung, mein großes Herz und meinen wachen Geist, meine eigene Spürfähigkeit und meinen lebendigen Körper ein. Was ich in den Laboren anbiete ist kein Coaching und kein schnelles Problemlösen, sondern ein achtsames gemeinsames Erforschen, einen Raum eigene Fragen zu stellen und eigene Antworten zu finden – ernst zu nehmen, dass die gesellschaftlich notwendige Transformation auch in jedem Einzelnen von uns stattfindet.

Dafür arbeite ich mit der Organisationsbegleitung Iniciato zusammen und einige Workshops leite ich zusammen mit meinen Iniciato-Kolleg*innen.

Ich freue mich auf neugierige Rückfragen und mutige Teilnehmende!