Was wir aus der ubuntu-Philosophie für die Selbstorganisation und gemeinschaftsgetragenes Wirtschaften lernen können.

Ubuntu ist eine wichtige Grundlage vieler Kulturen im südlichen Afrika und lässt sich auf die anschauliche Formel

Ich bin, weil wir sind

bringen. Ich bin nur Mensch, weil es andere Menschen gab, die mir beigebracht haben, wie ein Mensch zu handeln, zu denken und zu fühlen. Ich bin nur ich, weil ich mich im Kontakt mit anderen so entwickeln konnte und immer noch entwickle. Ich bin, weil ich mich mit anderen Menschen und Mitwesen in meiner Umwelt verbinde. Das führt zu einem anderen Satz, der Ubuntu gut beschreibt:

Mir geht es gut, weil es Dir gut geht

und der viel Erhellendes für ein gemeinsames Wirken in Teams und in Gemeinschaften beinhaltet.

Als ich mich das erste Mal mit diesem Satz beschäftigte, fiel mir ein Teil der Bedeutung gleich ins Auge: Ich habe eine Mitverantwortung für mein Gegenüber, weil die Menschen um mich herum mit mir verbunden sind. Und wenn es denen gut geht, habe ich unmittelbar einen Nutzen. Mit Empathie und Wohlwollen auf die Menschen in meinem Team zu schauen, hilft nicht nur den Anderen, sondern auch mir selbst. Eine wichtige Grundvoraussetzung in Teams ist somit das aktive Kümmern, dass alle das haben, was sie brauchen, um gut dabei sein zu können und sich wohl zu fühlen. Und damit wird auch klar, es ist eben nicht die Aufgabe einer einzelnen Führungsperson, sondern es ist die Aufgabe aller Teammitglieder.

Erst nach einer Weile ist mir klar geworden, dass der Satz auch eine Umkehrbedeutung hat: Wenn Menschen mit dem Grundsatz „mir geht es gut, weil es Dir gut geht“ verbunden sind, dann kann mein Gegenüber auch nicht jubilieren, wenn ich miesepetrig unterwegs bin. Damit erwächst eine klare Selbstverantwortung:

Ich muss mich um mich kümmern, weil ich so dazu beitrage, dass es den Menschen um mich herum gut geht.

Für die Anwendung in Teams und Gemeinschaften ist das die unmittelbare Aufforderung an mich, mich um mein Wohlbefinden, meine Gesundheit und meine Resilienz zu kümmern. Ich bin also aufgerufen, auf mich zu schauen und mich zu entwickeln und gleichzeitig nicht über meine Grenzen zu gehen, mehr zu tragen, als es mir gut tut. 

Es beinhaltet auch die Aufforderung an mich, mir bestmöglich meiner Bedürfnisse klar zu werden und mich dafür einzusetzen, dass diese auch gehört und bearbeitet werden. Dabei ist es nicht automatisch Aufgabe der Anderen, meine Bedürfnisse zu erfüllen (es ist nicht einmal die zwingende Aufgabe von mir selbst). Bin ich mir klar, was ich brauche, dann ist mein Handeln einordenbar und es ist mir und den anderen möglich, Wege für ein einfacheres Miteinander zu finden.

Um diese Bedürfnisse zu klären, bin ich regelmäßig aufgerufen, mich selbst zu befragen: 

Wie geht es mir (mit mir/ mit anderen/ in mir)?

Was brauche ich gerade (für mich/ in Bezug auf andere)? 

Ich nehme mir die Zeit und suche mir ggf. Anlässe und eine Anleitung, um in mich zu gehen und zu erkennen, was mir gerade gut täte, was mich weiterbringen würde. Und wenn es mir heute nicht gelingt, meine Bedürfnisse komplett zu artikulieren, dann kann ich vielleicht dennoch einen kleinen Teil davon zum Ausdruck bringen. Und nächstes Mal einen weiteren Teil. Ich kann mich aber nicht zurücklehnen und mein Unwohlsein einfach so rumoren lassen.

In der Verbindung  “Mir geht es gut, weil es Dir gut geht” steckt auch die Gleichzeitigkeit, die uns schwerfällt. Ich kümmere mich um mich und um die Anderen. Die Anderen kümmern sich um mich und sich selbst. Ein “mach erst einmal Deine Hausaufgaben” kann es im Sozialen nicht geben, ein “ich kümmere mich erstmal um mich” ebenso wenig. Das Kümmern um mich selbst und das Kümmern um die Anderen läuft parallel. Der Prozess ist so von Beginn an auf eine Balance zwischen dem Ich und dem Wir ausgerichtet und denkt auch bestmöglich die Umwelt und Wesen mit, die nicht so einfach befragt werden können.

In der Ausgewogenheit von Verantwortung für sich selbst und für andere, in der Klarheit des persönlichen Weiterentwickelns durch die Anderen beschreibt ubuntu fast alle Grundlagen für wirksame Gruppen.