Wie will ich in 20 Jahren arbeiten?

Im Gespräch mit älteren Führungskräften kommt immer wieder die Frage auf, wie denn „der Laden“ mit der Arbeitshaltung der jungen Generation aufrecht erhalten werden kann. Bei den Zuschreibungen zu den jungen Menschen geht es viel darum, dass ihnen Arbeit nicht so wichtig sei, dass sie schon zu Beginn ihres Arbeitslebens hohe Ansprüche formulieren und sich nicht erst mal beweisen wollten. Und aus den Erfahrungen und Zuschreibungen wird schnell der Schluss gezogen, dass dies das jeweilige Unternehmen und auch generell unsere Wirtschaft gar nicht leisten kann.

Wir wollten wissen, was da dran ist und haben unsere jährliche Denkwerkstatt mit Masterstudierenden an der FH in Münster genutzt, um herauszuarbeiten, wie die junge Generation sich ihr Arbeitsleben vorstellt. Unter der Leitfrage „wie will ich in 20 Jahren arbeiten?“ haben wir nach den tiefer liegenden Bildern hinter den Einzelforderungen gesucht und viele Schätze gefunden.

Von Beginn an zeigte sich, dass der Begriff von Arbeit sich anders darstellt als bei der älteren Generation. Die Boomer (und nicht nur die) haben eine Klarheit, dass Arbeit der Kern ihres Alltages ist – und nicht nur ihren Alltag, sondern auch ihre Identität wesentlich prägt. Mit den Kolleg:innen verbringt mensch mehr Zeit als mit der Familie. Alles, was nicht Erwerbsarbeit ist, wie beispielsweise Ehrenamt, ist Beiwerk. Und Care-Arbeit kommt gar nicht unter diesem Arbeitsbegriff vor und findet entsprechend weniger Anerkennung. Dieser Arbeitsbegriff ist stark geprägt von einem patriarchalen System.

 

Die Teilnehmerinnen der Denkwerkstatt zeigten in dem Modul ein völlig anderes Verständnis, was Arbeit für sie ist und welchen Stellenwert Arbeit in ihrem künftigen Leben einnimmt. Sie sind viel autonomer und lösen sich von den bestehenden Normen. Das Lebensmodell ihrer Eltern ist eher das Anti-Vorbild. Die Erwerbsarbeit soll nicht das einzig Prägende sein. Die Vorstellung, an dem elterlichen Wettkampf der meisten Arbeitsbelastung teilzunehmen, ist abschreckend genug, um sich auf die Suche nach neuen Modellen zu machen.

Es gibt eine Freude am Arbeiten und eine Vorfreude auf die (weiteren/künftigen) Jobs und auch die Vorstellung, Verantwortung zu übernehmen, hat einen großen Reiz. Dabei geht es viel weniger um den Status. So hat die Vorstellung, viele Leute unter sich zu haben und zu führen, für viele keinen großen Reiz. Sondern bei der Verantwortungsübernahme geht es vielmehr darum, wirksam zu sein und die Freude zu gestalten – alleine oder im Team.

Der Arbeitsbegriff bezieht sich eben nicht mehr nur auf Erwerbsarbeit, sondern ist breiter und vielfältiger gefasst: Care-Arbeit und Ehrenamt und anderes fällt für die Studierenden mit in den Topf „Arbeit“. Ein Schlüssel im Verständnis dabei ist, dass es nicht nur um den einen Job geht, der klar umrissen ist und den mensch nur mit dem Erklimmen der nächsten Karrierestufe verbessern kann. Die Grenzen von Erwerbsarbeit und anderen Formen der Arbeit sind fließender und es gibt meist mehrere Tätigkeiten, die Geld bringen und andere Tätigkeiten, die den eigenen Neigungen entsprechen. Das können zwei Jobs sein, die zu einem Arbeitsfeld gehören oder auch zwei völlig verschiedene Jobs. Und gerne gibt es daneben den festen Platz, um sich um gesellschaftliche Aufgaben zu kümmern. Diese Vielfalt ermöglicht viel mehr, den eigenen Neigungen und dem Drang nach Wirksamkeit und Sinnerfüllung nachzugehen.

Und dann zeigt sich in den Antworten der Studierenden auch noch der Teil, der in der Wahrnehmung vieler Älterer das Prägende ist. Die Zeit für sich selbst, die Zeit für soziale Kontakte ist ein fester Wert im idealen Alltag der jungen Menschen. Das haben sie klar: das ist nicht beliebig, sondern ein zentrales Lebenselexier und hat genauso wie Arbeit und Ehrenamt einen festen Platz.

Viel anschaulicher haben das die Masterstudierenden selbst dargestellt. Es war auch dieses Mal wieder Teil des Moduls, dass sie ihre Antworten auf die Frage, wie sie in 20 Jahren arbeiten wollen, in Legefilmen geben. Diese finden sich hier:

https://cloud.iniciato.de/index.php/s/ENZMmGL3Kny2sxG

Eine Erfahrung, die wir übrigens bei iniciato selbst auch machen. Die beiden Älteren bei uns sind viel mehr in der Fokussierung auf die Tätigkeit bei iniciato und alles nebendran ist Freizeit / privat. Die vier Jüngeren haben eine viel größere Durchmischung ihres Arbeitsalltages im Blick und sind meist auch an mindestens zwei Stellen tätig (#jobdiversity).

Für die Arbeitgeber bringt das ziemliche Veränderungen mit sich und das Finden des darin liegenden Schatzes. Profile für Jobs mit 40 Stunden und der Aussicht auf unzählige Überstunden treffen schon jetzt nur noch einen abnehmenden Ausschnitt der Nachwuchstalente. Jobangebote, die ein sehr enges Arbeitsfeld bieten, dürften künftig auch weniger Anklang finden. Die spannende Preisfrage für die Personal- und Unternehmens-Entwicklung dürfte eher sein: was kann ich aus dem Potential der vielfältigen Interessen meiner Mitarbeiter:innen eine attraktive Jobvielfalt und rentable Angebote kreieren?

Ein zweiter Entwicklungsstrang für die betriebliche Organisation ist, wie ich mein Unternehmen so organisieren kann, dass die betrieblichen Erfordernisse mit den Vielfaltsanforderungen meiner Mitarbeitenden in Einklang zu bringen sind.