
Geniale Kombination: Selbstständig und schwanger
TEIL 1/3: Elterngeld – ist gar nicht so leicht zu verstehen, oder?
Kurze Erläuterung meiner Situation vorab: ich arbeite 50% meiner Energie (meist 20 Stunden im Mittel) für iniciato und 50% meiner Energie (ebenso 20 Stunden im Mittel) als angestellte Gärtnerin mit 15 Euro Stundenlohn in der Solawi. On Top kommen noch einige Stunden Ehrenamt in der Woche, um die Community der Solawi resilient aufzubauen und zu pflegen oder sich der Kommunalpolitik zu widmen.
Nicht falsch verstehen, ich liebe meinen Alltag, meine Art #Jobdiversity oder #Jobsplitting zu leben.
Dennoch:
Um als selbstständige Organisationsentwicklerin Mutter zu werden, braucht es einiges an Vorüberlegungen und Planungen.
Als ich mir dann vor einiger Zeit eine Infoveranstaltung zu diesem Thema angehört habe, musste ich schlucken. Ich hätte in den ein bis zwei Jahren vor der Schwangerschaft mehr als 100% meiner Zeit und Energie in gut bezahlte Projekte geben müssen, um meine Einnahmen und Gewinne so stark zu erhöhen (an denen dann mein Elterngeld scheinbar bemessen wird), dass ich davon gut leben kann. Wer selbstständig ist, weiss genau: das es total einfach ist auf einmal aufzustocken. Wenn mensch auch noch einen Haufen Ehrenämtern und pro Bono Projekten nachgeht, die einem Sinn und Energie geben, aber eben kein Geld. Oder eben nicht endlos viele gute Aufträge an die Tür klopfen. Aber diese dann auch noch abzuarbeiten und dass ohne krank zu werden, stell ich mir unmöglich vor.
Mir ist bewusst, dass auch alle arbeitnehmenden Frauen diese 100% leisten müssen. Das möchte ich auf keine Fall unbemerkt lassen! Dennoch mit weniger Risiken, Eigenverantwortung und besser geschützter Arbeitnehmerinnenrolle als in besagter Selbstständigkeit.
Es zeigt sich, dass immer noch viele Beratungsstellen für Schwangere zum Elterngeld oder anderen Unterstützungsmöglichkeiten keine Antworten auf meine „super speziellen“ Fragen haben (z.B. Höhe des Elterngeldes, Mutterschutz oder Berechnungszeitraum für Selbstständige Frauen). Auch Versicherungen werden scheinbar nicht oft gefragt, ob bei Ihnen Mutterschutzgeld für selbstständige Frauen Teil der Leistungen ist oder nicht. Auch der Weg in die Familienversicherung für die Zeit der Elternzeit braucht ein paar Umwege und muss erstmal funktionieren, ohne gleich das ganze Unternehmen abzumelden 😀
Und bei diesen ganzen Überlegungen habe ich noch gar nicht meine traurig wartende Rentenvorsorge benannt oder …
Wie ihr seht, ich gehe gerade einigen neuen Problemen und Fragen auf den Grund und möchte sie einfach mit euch teilen.
TOP II: Wie gelingt ein guter Übergang in die Elternzeit als Selbstständige?
Spätestens bei der Frage, wer übernimmt in dem kleinen Unternehmen „iniciato“ meine Rollen und Aufgaben, stellt mensch fest, dass es gar nicht so einfach ist, die eigene Arbeit zu verteilen ohne die anderen Mitstreiter:innen zu (über-)fordern.
Aus Sicht meiner Kolleg:innen bekam ich folgendes entlastendes Feedback: „Wir erleben es nicht wirklich als problematisch, dass Du Deine Aufgaben abgibst an uns. Das ist völlig ok und sollte auch möglich sein, wenn es einfach gerade mal nicht passt. Viel mehr ist es für uns Deine Person/Dein Wissen/Deine Erfahrung/Deine Sichten und Deine Energie, die in einem kleinen Team wie dem unseren fehlen wird. Und das ist gut so, weil es nochmal klar macht, wie Du uns bereicherst.“ Danke dafür!
Wenn ich dann voller Vorfreude auf das Mutterwerden blicke und sich alles geregelt anfühlt, kommen mir spätestens auf den zweiten Blick Zweifel, wie es gelingen kann, weiterhin nach ein paar Monaten Elternzeit wieder zu Reisen oder Workshops zu geben. Selbst wenn mein Partner vollste Unterstützung zusagt und bereit ist, die Hälfte der Elternzeit zu übernehmen, wird es einige Herausforderungen zu meistern geben, damit ich weiter meiner Leidenschaft dem Moderieren von Großgruppen und Teams nachgehen kann.
TOP III: die Entscheidung Mutter zu werden
Trotz dieser schwierigen Voraussetzungen Mutter zu werden (neben all den großen Fragen, ob mensch überhaupt in Zeiten der Klimakrise Kinder in die Welt setzen sollte) ist mein Umfeld voll am Start, unterstützt wo es kann und ermutigt mich in dieser Entscheidung. Ein großer Dank gilt meinen Kolleg:innen von iniciato. Gemeinsam haben wir schon vor gut einem Jahr begonnen einen Solidarfond anzulegen, der für jede Art von Auszeit, finanzielle Unterstützung bieten kann. Aus diesem Fonds werde ich demnächst mein Mutterschutzgeld erhalten sowie eine monatliche Aufstockung des Elterngeldes.
Vielen lieben Dank, dass ihr das möglich macht!
Zusatz: Elternzeit geschlechtersensibel planen – zwei Sichten
Stimme 1: Zuletzt noch einen Schwenk zu den Änderungen während der Elternzeit: Wieso dürfen die Paare nicht mehr als einen Monat gleichzeitig nehmen? Und das obwohl der gesetzliche Mutterschutz doch auf 8 Wochen (also 2 Monate bemessen ist). Das ist eine Zahl, die wissenschaftlich belegt zeigt, dass die Frau hier heilen muss und jede Unterstützung braucht, die sie bekommen kann. Warum muss hier der Partner also ausfallen? Was sind die Gedanken der Politik? Wollen sie die Paare stoppen, gemeinsam einen längeren Urlaub, wenn das Baby älter wird zu machen? Und wenn ja, was ist daran so schlimm? Oder weil wir gleichzeitig keine Steuern einzahlen und das große Loch im Haushalt entsteht?
Stimme 2: Ich kenne die Standard-Situation zu Hauf und finde sie zum Kotzen: Sie ist 1 Jahr zu Hause und passt aufs Kind, Herd und Staubsauger auf und er macht 2 Monate Elternzeit und sie fahren mit dem Camper durch Spanien. Das ist dann die Augenhöhe und der moderne Vater. Daher finde ich die Regelung schon mal nachvollziehbar. Und eigentlich müsste die Zeit, in der sie arbeitet, während er alleine aufs Kind aufpasst, eine wichtige Steuerungsgröße sein.Zu der Steuerungsgröße:
Eine der Steuerungsgrößen für die Höhe des Elternzeit-Entgeltes sollte die Zeit sein, die der Vater alleine das Kind betreut (oder genereller: jedes Elternteil alleine das Kind betreut). Damit könnte die Augenhöhe in der Übernahme von Verantwortung UND mental load eher befördert werden.