Auf einem Treffen unseres CSX-ThinkTanks haben wir in einer Session zusammen mit Paavo an seinem Halvelmi-Konzept gearbeitet. Davon inspiriert hier eine erste Überlegung, wie denn eine #we-economy-Lebensmittelverarbeitung organisiert sein könnte:

Ermöglicht wird eine Verarbeitungsstätte, die ein möglichst breites Spektrum an Produkten abdeckt: sowohl bezüglich der Rohwaren, die verarbeitet werden, wie auch im Hinblick auf die Grundversorgungsprodukte, die hergestellt werden. Im Bestfall geht es um eine große Varianz an Sorten, die angebaut, verarbeitet und gegessen werden, sodass nicht nur die Standard-Getreide-, Obst-, Gemüsesorten und Tierrassen zum Einsatz kommen. Die Vielfalt ist ein wichtiges Leitmotiv, um resilient und konzernunabhängig landwirtschaften zu können.

 

Es geht also um eine Verarbeitung, die nicht spezialisiert ist, sondern ein möglichst breites Leistungsspektrum aufweist.

Die Rohstoffe werden gezielt für diese Verarbeitungsstätte angebaut. Dafür werden mit lokalen Erzeuger-Betrieben (idealerweise sind das solidarische Landwirtschaften) Vereinbarungen geschlossen, um auf einer definierten Fläche die benötigten Produkte anzubauen. Bezahlt wird die Arbeit, die für die (ökologisch und sozial hinreichende) Bewirtschaftung der Flächen benötigt wird.

Hier stecken zwei Grundsätze drin: Zum Einen der nahräumliche Wirtschafts-kreislauf und zum Anderen das Prinzip der verbindlichen Partnerschaft, die auf die gewünschte Qualität zielt und das Risiko teilt.

Die anderen Rohstoffe werden nach ökologischen und sozialen Kriterien beschafft (und im besten Fall ergeben sich Beschaffungskooperationen von mehreren weconomy-Verarbeiter*innen, die zusammen einen solidarischen Bezug von weniger wesentlichen Rohstoffen oder von Rohstoffen, die aus ferner gelegenen Regionen kommen, organisieren).

Die Kooperation ist das wesentliche Prinzip für alles, was alleine nicht in der gewünschten Qualität beschafft werden kann. 

Generell scheint das Kooperieren mit anderen ähnlich organisierten Verarbeiter*innen unverzichtbar, um benötigte Dienstleistungen und Infrastruktur gemeinsam aufzubauen. Und – vermutlich das Hauptmotiv für die Zusammenarbeit – um Know-How zu teilen und gemeinsam Neues zu entwickeln. Wenn in solchen Strukturen handwerklich orientierte Verarbeitung stattfindet und eine Sortenvielfalt auf dem Hof und in der Produktion ermöglicht werden soll, dann fehlt dafür – zumindest in den meisten bestehenden Verarbeitungsunternehmen – das Wissen.

Es bildet sich ein Netzwerk kooperativer we-economy-Verarbeiter*innen, um Synergie-Effekte zu nutzen und um gemeinsames Wissen aufzubauen.

Die hergestellten Erzeugnisse stehen den Menschen, die die Verarbeitungsstätte ermöglichen und tragen, zur Verfügung. An Verteilpunkten können diese regelmäßig abgeholt werden. Neben Privathaushalten können auch SoLaWis und FoodCoops Träger solcher we-economy-Verarbeiter*innen werden.

Die Produktion erfolgt für die Ermöglicher*innen (Privathaushalte, Food-Coops, SoLaWis) und nicht für den freien Markt. 

Die Entwicklung dieser Verarbeiter*innen ist vor allem darauf angelegt, die ökologische und soziale Qualität zu verbessern, die Vielfalt der lokalen landwirtschaftlichen Produktion zu befördern und die Versorgung mit einem breiten Sortiment für einen begrenzten Kreis von Prosument*innen zu organisieren – idealerweise in Kooperation mit anderen Verarbeiter*innen mit ähnlichen Werten. Wie bei allen nachhaltigen Unternehmen geht es eher um die Förderung neuer ähnlich ausgerichteter Unternehmen als um ein selbstzweckhaftes Wachstum des eigenen Unternehmens – also um ein qualitatives Vervielfältigen statt quantitatives Wachsen.

 

Qualitative Entwicklung in der ganzen Versorgungskette und das Vervielfältigen der eigenen Leistungen sind die Entwicklungsfelder eines we-economy-Verarbeiter*in.

Die Gemeinschaft der Mitglieder ermöglicht diese Verarbeitungsstätte. Gemeinsam gestalten sie die Weiterentwicklung und tragen den laufenden Betrieb. So geht es zum Einen um das Auseinandersetzen mit den ökologischen und sozialen Qualitäten und zum Anderen um das gemeinsame Finanzieren der benötigten Betriebskosten (inkl. Kosten für Löhne und Rohstoffe). Die Prosument*innen zahlen also nicht mehr für das einzelne Produkt, sondern finanzieren ihren Teil der Verarbeitungsstätte.

Die Gemeinschaft und deren Verpflichtung zur Ausfinanzierung der Betriebskosten schafft die Verbindlichkeit, um arbeitsfähig zu werden.

Für die Unternehmer*innen und die Mitarbeitenden in dem Verarbeitungsunternehmen entsteht die Chance, wirklich gute und abwechslungsreiche Arbeit zu leisten: handwerklich und an den Bedarfen „ihrer“ Verbraucher*innen produzierte Güter. Und mit dem Wissen, für wen und warum diese Produkte hergestellt werden. Und die eigenen Bedarfe werden dabei ebenso berücksichtigt: gerade auch im Hinblick auf gesunde Arbeitszeiten und eine auskömmliche sowie faire Bezahlung.

Für die Mitarbeitenden gibt es die Chance, unter besseren Bedingungen wieder „gute Arbeit“ zu leisten. Das schließt auch mit ein, dass keine Überproduktion entsteht.

Damit ergibt sich ein Zukunftsbild, was sich von der großen effizienz-geleiteten Produktion verabschiedet und an dessen Stelle sich ein Netzwerk dezentraler Produktionen setzt, die nah an den Verbraucher*innen – also den Mit-Träger*innen und Mit-Gestalter*innen – sind. Verstärkt aus den Lehren der Corona-Krise findet sich hier die Grundidee einer Versorgung durch resiliente, nahräumliche und gerechte Strukturen wieder.